Führungskräfte wünschen sich von ihren MitarbeiterInnen Loyalität. Sie erwarten, dass MitarbeiterInnen Aufgaben auch dann ausführen, wenn sie nicht zu 100 Prozent mit der Art der Umsetzung einverstanden sind. Sie erleben es selbst als sehr frustrierend, wenn MitarbeiterInnen maulen, aufbegehren oder trotzig die Ausführung verweigern. Und dennoch verhalten sie sich ihren eigenen Chefs gegenüber genauso. Sie leiten Informationen nicht an die MitarbeiterInnen weiter, setzen Veränderungsprojekte nicht um oder reden schlecht über die Entscheidungen der obersten Führungskräfte.

 

Der wesentliche Kern von Loyalität

Eine Person ist loyal, wenn sie Aufgaben auch dann umsetzt, wenn sie nicht der Meinung ist, dass diese Aufgabe überhaupt oder in dieser Art ausgeführt werden sollte. Solange ich derselben Meinung bin wie meine Chefin, ist keine Notwendigkeit für Loyalität. Es gibt schon auch noch anderes Verhalten, wie sich Loyalität zeigen kann, wie zum Beispiel Verschwiegenheit, Opferbereitschaft oder Beistand.  Die meisten Führungskräfte aber klagen über mangelnde Loyalität der ihnen unterstellten Führungskräfte im Zusammenhang mit der Ausführung von Aufgaben.

 

Gründe, nicht loyal zu sein

Ich habe mit viel Interesse den Führungskräften in meinen Trainings und Einzelcoachings zugehört. Ich wollte herausfinden, was sie davon abhält, das zu tun, was sie von ihren MitarbeiterInnen so selbstverständlich fordern. Ich kann folgende Gründe beobachten:

  • Hoher professioneller Anspruch an sich selbst: Manche Führungskräfte haben eine so hohe Erwartung an ihr eigenes professionelles Verhalten, dass es ihnen fast schon körperliche Schmerzen bereitet, etwas zu tun, das nicht diesem Standard genügt.
  • Große Sorge um den eigenen Ruf: In allen Organisationen hat es eine große Bedeutung für die eigenen Karriere, wie man gesehen wird. Das betrifft nicht nur fachliches Wissen, sondern auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhalten. Manche Führungskräfte haben große Angst, mit dem Chef zu scheitern und weigern sich daher, bestimmte Maßnahmen umzusetzen, selbst wenn sie die Anerkennung des Chefs aufs Spiel setzen.
  • Konkurrenz mit dem eigenen Chef: Gar nicht so selten gibt es ein schwelendes Konkurrenzverhältnis zwischen Führungskräften unterschiedlicher Ebenen. Entweder sie wollen die Position des Chefs, die sie nicht bekommen haben, oder sie möchten am Sessel der Führungskraft sägen. Bewusst oder unbewusst setzen Führungskräfte daher Schritte, um zu zeigen, dass sie kompetenter sind.
  • Scham wegen des Nachgebens: Für manche Menschen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich tue ausschließlich das, von dem ich 100-prozentig überzeugt bin, oder ich gelte zu Recht als schwach und neige offensichtlich zu Kadavergehorsam. Der Graubereich dazwischen ist ihnen nicht bewusst.

 

Leitfaden zur Loyalität

Gerade für Führungskräfte, die befürchten, zu schnell „umzufallen“, kann es sehr hilfreich sein, sich klar zu werden, dass es inhaltlich gesehen sehr unterschiedliche Aspekte der Loyalität gibt. Bei manchen kann man ohne Gefahr nachgeben und somit auch die Loyalität zeigen. Bei manchen ist es gut, standhaft zu bleiben:

  • Fragen des Geschmacks: In Organisationen werden viele Dinge entschieden, die reine Geschmacksfragen sind: die Farbe eines Folders, die Pflanzen im Eingangsbereich, die Schrift auf der Website etc. Ich empfehle Ihnen, bei solchen Punkten flexibel zu sein.
  • Einschätzungen über die Zukunft: Viele Menschen haben eine Einschätzung darüber, was die Zukunft bringen wird. Doch niemand kennt die Zukunft. Bei allen Gesprächen um die Zukunft geht es um Glaubensfragen. In solchen Fragen nachzugeben, ist daher trotz allem professionell.
  • Methodische Vorlieben: In vielen fachlichen Fragen gibt es mehrere Wege zum Ziel. Bevor Sie reflexartig Widerstand leisten, ziehen Sie es doch in Betracht, mit der Führungskraft den anderen Weg zu gehen.
  • Auslegung und Interpretation: Bei der Auslegung von Regeln und Gesetzen fließt viel fachliche Erfahrung aus der Vergangenheit ein, daher fühlen sich viele Führungskräfte in ihrer professionellen Ehre gekränkt, wenn ihre Meinung nicht gehört wird. Auch hier können Sie sich die Frage stellen, ob die von Ihnen abgelehnte Auslegung nicht auch eine „denkmögliche“ ist.
  • Richtungsentscheidungen: Zu solchen Entscheidungen gehören alle strategischen Entscheidungen, aber oft auch Personal- oder Ressourcenentscheidungen. Falls Sie anderer Meinung sind, weisen sie in einfacher, verständlicher Form auf die möglichen Konsequenzen hin. Wägen Sie gut ab, ob es Ihnen möglich ist, die Entscheidung mitzutragen.
  • Verletzung von internen Regeln und Gesetzen: Es gibt viele Regeln, Erlässe, Verordnungen, Gesetze, die das Verhalten in Organisationen regeln. Falls jemand von Ihnen die Missachtung einer Regel verlangt, gewöhnen Sie sich eine einfache Frage an: Welche Sanktion ist bei Verletzung vorgesehen? Falls keine Sanktion vorgesehen ist, können Sie vielleicht doch dem pragmatischen Weg folgen.
  • Verletzung von moralischen Verpflichtungen: In sehr vielen strittigen Situationen geht es um moralische Fragen: Sind Einsparungsmaßnahmen, Umstrukturierungen und Kündigungen moralisch gerechtfertigt. Vermeiden Sie es, pauschalen Urteilen wie „Es ist unmoralisch, MitarbeiterInnen zu kündigen“ zu folgen. Beurteilen Sie den konkreten Einzelfall.
  • Grenzen der eigenen Werte: Manchmal verlangen oberste Führungskräfte ein Verhalten von den Führungskräften, das gar nicht mit den inneren Werten der Führungskräfte zusammenpasst. Versuchen Sie diese absoluten Grenzen bei sich selbst auszuloten und bleiben Sie standhaft.

 

Loyalität durch Loyalität gewinnen

Sobald Sie für sich selber wissen, in welchen Situationen Sie jedenfalls Loyalität zeigen möchten, können sie beginnen, den MitarbeiterInnen Ihr eigenes Verhalten zu erklären. Sie zeigen damit den MitarbeiterInnen, wie man in einer Organisation loyal sein kann, ohne sich selbst und die eigenen Werte zu verraten und kommen Ihrer Funktion als Vorbild nach. Ihr Vorteil: Ihr Wunsch nach loyalen MitarbeiterInnen wird sich leichter erfüllen!

 

Autor: Mag. Alfred Faustenhammer