Bei der Führung von Expert:innen ist es häufig nicht notwendig, Aufträge zu erteilen oder die Arbeitsergebnisse zu kontrollieren. Das bedeutet aber nicht, dass Expert:innen keine Führung benötigen. 

Expert:innen bieten nicht nur umfangreiches Fachwissen, sondern darüber hinaus auch Expertise. Nur sie können abschätzen, wie das gesammelte Wissen auf den konkreten Einzelfall anzuwenden ist. Genau dafür brauchen sie Entscheidungsspielraum und Freiheit bei der Einteilung der eigenen Zeit. Meistens sind sie ohnehin sehr motiviert, sich ständig zu verbessern, und wollen von sich aus ausgezeichnete Leistung erbringen. Daher stellt sich berechtigterweise die Frage, ob Expert:innen überhaupt Führung benötigen.

In vielen Fällen ist es tatsächlich nicht notwendig, Expert:innen Aufträge zu erteilen oder die Arbeitsergebnisse zu kontrollieren. Vielfach wäre die Führungskraft auch gar nicht in der Lage, die Qualität der Arbeit zu beurteilen, weil nur die Expert:innen über genug Erfahrung verfügen, um die täglichen Aufgaben zu lösen. Das ist jedoch kein Grund, als Führungskraft keine Autorität zu beanspruchen, denn Führung besteht nicht nur aus der Delegation von Aufgaben und der Überprüfung der Qualität. Professionelle Führung umfasst bei Weitem mehr. Ich möchte Ihnen fünf Felder der Führung vorstellen, die auch bei der Führung von Expert:innen dringend notwendig sind.

 

1. Klares Feedback zur sozialen Kompetenz

Der Erfolg ist nicht nur vom Fachwissen, sondern auch vom Verhalten der Expert:innen gegenüber Auftraggeber:innen, Kund:innen, Stakeholdern und Behörden abhängig. Haben Sie ein klares Bild davon, welches Verhalten Sie sich erwarten? Ihre Aufgabe besteht darin, Erwartungen zu formulieren und regelmäßig Feedback zu geben. Nur so kann es gelingen, dass sich ein gemeinsames Verständnis von professionellem Verhalten entwickelt.

 

2. Menschen benötigen Orientierung

Gerade Expert:innen stellen oft sehr geringe Ansprüche an Führungskräfte. Es scheint, dass sie schon zufrieden sind, wenn sie allein gelassen werden. Doch dieser Eindruck täuscht. Auch Expert:innen sind Menschen und die meisten Menschen möchten sich auf die Zukunft einstellen können. Sie können an Autorität gewinnen, wenn Sie regelmäßig über anstehende personelle und räumliche Veränderungen in Ihrer Abteilung informieren.

 

3. Erfahrungsaustausch als Schlüssel zu Erfolg

Auch wenn Expert:innen nach Freiraum verlangen und gerne selbst entscheiden, können Sie wesentlich zu besseren Arbeitsergebnissen beitragen, indem Sie formalisierten, informellen Austausch anbieten. Angenommen, in Ihrer Organisation wird eine neue Software zur Planung der Projekte eingeführt. Sie können jeden für sich allein mit dieser Software kämpfen lassen oder Sie bieten im Rahmen einer Besprechung 20 Minuten Zeit für den Austausch über die Erfahrung mit der Software an.

 

4. Vom Ausguck sieht man mehr

Als Führungskraft nehmen Sie an zahlreichen Besprechungen innerhalb und außerhalb der Organisation teil. Sie kennen die neuesten Überlegungen zur Strategie, zur nächsten Umstrukturierung und zu allen Umwälzungen in Ihrer Branche. Daher können Sie sich jeden Tag die Frage stellen: „Über welche Information verfüge ich, die es meinen Mitarbeitenden leichter macht, gute Arbeit zu machen?“ Falls es Ihnen regelmäßig gelingt, relevante Hintergrundinformation zur Verfügung zu stellen, werden Sie als jemand wahrgenommen, der in einer hilfreichen Funktion vorangeht.  

 

5. Die Zusammenhänge machen den Unterschied

Doch Sie verfügen über noch mehr Schätze als nur Information. Sie verstehen den Kontext und können ihn erklären. Warum gibt es einen Fachkräftemangel? Wie wirkt sich das internationale Geschehen auf Ihre Branche aus? Was bedeuten die neuesten technischen Entwicklungen für Ihre Organisation? Gehen Sie nicht davon aus, dass Expert:innen den Kontext so gut kennen, wie Sie. Schließlich beschäftigen sich viele Fachleute die meiste Zeit des Tages mit Details und nicht mit dem großen Ganzen.

Wenn es Ihnen gelingt, Ihre Expertinnen und Experten im Bereich dieser fünf Felder zu führen, wird sich die Zusammenarbeit verbessern und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden. Sie haben somit nicht nur Ihren Handlungsspielraum erweitert, sondern auch gezeigt, dass Sie Ihre Autorität in einer unterstützenden Form ausüben werden.

 

Autor: Mag. Alfred Faustenhammer

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