Für Bauherrn stellt sich die für sie wichtigste Frage, ob sie in Zeiten von Corona ihre Bauvorhaben umsetzen können. Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich mit dieser Frage eingehend.

 

Rechtsgrundlagen

Die gesetzliche Zulässigkeit für das Bauen während der Corona-Krise ergibt sich aus § 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, welche am 16.3.2020 in Österreich in Kraft getreten ist. Aufgrund dieser Verordnung dürfen Bauarbeiten nur von befugten Selbständigen, wie Architekten oder Baumeister, oder von deren Arbeitnehmern, vorgenommen werden.

Bei Verstoß gegen diese Bestimmung kann von der Behörde gemäß § 3 Abs 3 COVID-19-Maßnahmegesetz eine Verwaltungsstrafe bis zu EUR 30.000,- verhängt werden.

Das Gesundheitsministerium hat am 27.3.2020 eine Handlungsanleitung für verbindlich erklärt, die die Ausbreitung des Virus durch entsprechende Schutzmaßnahmen auf Baustellen verhindern soll.

Die oberste Maßgabe ist es, dass die Bauarbeiten möglichst weiterbetrieben werden und erst dann eingestellt werden sollen, wenn dies behördliche Maßnahmen vorsehen oder aufgrund dieser Maßnahmen die Fortsetzung der Bauarbeiten nicht möglich ist.

Die Frage, ob die Bauarbeiten eingestellt oder weitergeführt werden sollen, lässt sich nur anhand des Einzelfalles beurteilen.

 

Zulässigkeit des Arbeitens auf der Baustelle

Das oberste Prinzip für die Zulässigkeit des Arbeitens auf der Baustelle ist, dass zwischen allen Personen, die sich auf der Baustelle befinden, ein Mindestabstand von einem Meter eingehalten wird. Trifft der Fall zu, dass die Einhaltung des Mindestabstands von einem Meter nicht gewahrt werden kann, ist die Fortführung der Bauarbeiten nur dann zulässig, wenn die Ausbreitung des Virus durch entsprechende Schutzmaßnahmen verringert werden kann. Dazu zählt insbesondere das Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske oder eines Schutzschildes, das von der Stirn bis unter das Kinn reicht.

 

Weitere Schutzmaßnahmen

Eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen auf der Baustelle bildet die Einhaltung der Hygieneregeln. Dazu zählen in erster Linie das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln und die regelmäßige Desinfektion der sanitären und sozialen Einrichtungen auf der Baustelle sowie die Desinfektion von Fahrzeugen, Baumaschinen und Werkzeugen vor Verwendung durch andere Personen. Neben der Einhaltung der Hygieneregeln ist auf jeder Baustelle für eine möglichst wirksame Trennung von Arbeitsbereichen und von Aufenthaltsbereichen sowie von den auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern durch entsprechende organisatorische Maßnahmen seitens der Bauherrn zu sorgen. Auch ist darauf zu achten, dass in den Schlafräumen nur eine einzige Person übernachtet. Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitnehmer, die zur Risikogruppe des Corona-Virus gehören, auf keinen Fall Arbeiten mit erhöhtem Ansteckungsrisiko verrichten dürfen. In den Arbeitsfahrzeugen, bei Nutzung der Verkehrswege auf der Baustelle sowie im Baustellenverkehr ist die Anzahl der Arbeitnehmer gering zu halten. Die Anpassung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzpläne an die gegenwärtige Situation dient als weitere Schutzmaßnahme.

 

Störungen beim Bauen

Während der Corona-Krise haben die Bauherrn mit erheblichen Störungen der Bauverläufe zu rechnen. Es sind sicherlich Bauverzögerungen, Baueinstellungen und Vertragsrücktritte zu erwarten.

Der Begriff „Höhere Gewalt“ spielt während der Corona-Krise eine zunehmend wichtige Rolle. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist höhere Gewalt dann anzunehmen, wenn ein außergewöhnliches Ereignis von außen einwirkt, das nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt bzw. zu erwarten ist und selbst durch äußerste zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann. Unabwendbar ist aber auch jedes nicht außergewöhnliche Ereignis, das trotz aller erdenklichen Sachkunde und Vorsicht nicht abgewendet werden kann. Die Ausbreitung des Corona-Virus ist unter dem Begriff  „Höhere Gewalt“ einzuordnen, weil es sich um ein außergewöhnliches und unvorhergesehenes Ereignis handelt.

Ungeachtet dessen ist aber im Einzelfall zu prüfen, welche Ursache die jeweilige Behinderung, Verzögerung, etc. hat.

Verzögerungen der Materiallieferungen sind grundsätzlich der Sphäre des Bauherrn zuzurechnen, sofern die ÖNORM B 2100 Vertragsgrundlage geworden ist. Wurde die Anwendung der ÖNORM B 2100 nicht mitvereinbart, sind Verzögerungen der Sphäre des Werkunternehmers zuzurechnen. In diesem Fall hat der Werkunternehmer für seine Erschwernisse grundsätzlich keinen Anspruch auf Mehrkosten, sondern muss das geschuldete Werk unverändert zu jenen vertraglichen Bedingungen erbringen, zu denen sich die Vertragsparteien am Beginn des Vertrags vertraglich geeinigt haben.

Kommt der jeweilige Bauherr zum Entschluss, dass es für ihn günstiger ist, die Bauarbeiten einzustellen, wird er sich darum bemühen müssen, mit seinen Vertragspartnern einen einvernehmlichen Baustopp bis zur Beendigung der Corona-Krise zu vereinbaren.

Kann eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Vertragspartner über den einvernehmlichen Baustopp nicht abgeschlossen werden, so ist der Bauherr nur dann zur Einstellung der Bauarbeiten berechtigt, wenn dies entweder behördlich angeordnet wurde oder auf der Baustelle der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten werden kann.

Sofern die Behinderungen in der Leistungserbringung länger als drei Monate dauern oder andauern sollten, wird beiden Vertragspartnern das Recht eingeräumt, vom Bauvertrag unverzüglich zurückzutreten, wenn zwischen den Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die ÖNORMEN zur Anwendung kommen sollten. Dasselbe gilt auch, wenn auf den jeweiligen Bauvertrag die Anwendung der ÖNORMEN nicht vereinbart wurde. Beiden Vertragsparteien steht das Recht zu, ihren Rücktritt gemäß § 918 ABGB zu erklären. Während der Corona-Krise herrscht ein Ausnahmezustand. Daher fällt die Setzung einer angemessenen Nachfrist weg.

 

Stundungsansuchen und Ratengesuche

Die Corona-Krise bringt für die Bauherrn zahlreiche Nachteile mit sich. Diese haben sich in erster Linie Gedanken darüber zu machen, ob sie ihre Bauvorhaben entweder während der Corona-Krise umsetzen oder einen einvernehmlichen Baustopp vereinbaren wollen.

Für den Fall, dass die Bauherrn ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, werden sie sich bemühen müssen, bei ihren Vertragspartnern Stundungsansuchen oder Ratengesuche zu stellen.

Gerät ein Vertragspartner in der Zeit zwischen dem 1.4.2020 und dem 30.6.2020 mit seiner Zahlung in Verzug, so ist er verpflichtet, lediglich die Verzugszinsen in der Höhe von 4 % zu bezahlen, nicht aber die Kosten außergerichtlicher Einbringungs- und Betreibungsmaßnahmen.

 

Fazit

Aus Anlass der Corona-Krise wird sich jeder Bauherr auf jeden Fall Gedanken darüber machen müssen, ob es letztendlich in wirtschaftlicher Hinsicht für ihn günstiger ist, die Bauarbeiten einzustellen oder nicht.

 

Autorin: Dr. Karin Zahiragic