Am 21. August 2018 ist mit einiger Verspätung das Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) in Kraft getreten, welches die Vergaberichtlinien der EU aus dem Jahr 2014 umsetzt und das BVergG 2006 ablöst. Darin enthalten sind unter anderem neue – für die Vergabepraxis äußerst relevante – Bestimmungen zu den Zuschlagskriterien.
Verpflichtendes Bestangebotsprinzip
Das BVergG 2018 sieht wie auch schon das BVergG 2006 vor, dass der Zuschlag auf den niedrigsten Preis („Billigstangebotsprinzip“) nur dann zulässig ist, wenn der Qualitätsstandard der ausgeschriebenen Leistung in der Leistungsbeschreibung so klar und eindeutig festgelegt wurde, dass die Einreichung vergleichbarer Angebote auf einem definierten Qualitätsniveau gewährleistet ist. In allen anderen Fällen ist eine Vergabe nach dem „Bestangebotsprinzip“ zwingend durchzuführen. Zusätzlich dazu sieht § 91 Abs 5 BVergG 2018 nun in folgenden Fällen eine Verpflichtung zur Anwendung des Bestangebotsprinzips vor:
- bei Dienstleistungen, die in einem Verhandlungsverfahren gemäß § 34 Z 2 bis 4 BVergG 2018 vergeben werden, dessen zulässige Anwendung durch die Eigenschaft der nachgefragten Leistung (innovativ, geistig, planerisch, komplex, nicht beschreibbar) bedingt ist;
- wenn die Beschreibung der Leistung im Wesentlichen funktional erfolgt;
- bei Bauaufträgen, deren geschätzter Auftragswert mindestens 1 Million Euro beträgt;
- wenn es sich um eine Auftragsvergabe im Wege eines wettbewerblichen Dialogs oder einer Innovationspartnerschaft handelt.
Die verpflichtende Verankerung des Bestangebotsprinzips bedeutet, dass der Angebotsbewertung entweder die niedrigsten Kosten gemäß eines vom Auftraggeber festzulegenden Kostenmodells (in Form einer Lebenszykluskostenrechnung) oder das beste Preis-Leistungsverhältnis zugrunde gelegt werden muss, d.h. neben dem Preiskriterium zumindest ein weiteres (Qualitäts-)Kriterium bestehen muss.
„Horizontalisierung“
Abweichend von der „kleinen“ Novelle des BVergG im Jahr 2015, in der das verpflichtende „Bestangebotsprinzip“ noch viel stärker im Gesetz zwingend vorgesehen war, wurde nun mit dem BVergG 2018 ein für die vergaberechtliche Praxis zweckmäßigeres und für einen fairen Wettbewerb angemesseneres Qualitätssicherungsmodell im Vergabeverfahren verankert – die sog. „Horizontalisierung“.
Dabei hat der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe folgender Leistungen qualitätsbezogene Aspekte (1) bei der Beschreibung der Leistung, (2) bei der Festlegung der technischen Spezifikationen, (3) der Eignungskriterien oder (4) der Zuschlagskriterien oder (5) bei der Festlegung der Bedingungen für die Ausführung des Auftrages festzulegen:
- bei unmittelbar personenbezogenen Dienstleistungen im Gesundheits- oder Sozialbereich gemäß Anhang XVI BVergG 2018;
- bei dem Bundesvergabegesetz unterliegenden Personenbeförderungsdienstleistungen auf der Straße;
- bei der Beschaffung von Lebensmitteln;
- bei Gebäudereinigungs- und Bewachungsdienstleistungen.
Qualitätsbezogen bedeutet im vorliegenden Kontext, dass es sich um nicht-ökonomische Kriterien handeln muss, die ökologischer, innovativer oder sozialer Natur sind.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass die nach § 91 Abs 6 BVergG 2018 verpflichtend in das Vergabeverfahren einzubeziehenden Qualitätskriterien nicht ausschließlich in dem komplexen und anfechtungsgefährdeten Bereich der Zuschlagskriterien Eingang finden müssen, sondern auch wahlweise in zumindest eine der oben genannten Regelungsbereichen eines Vergabeverfahrens festgelegt werden können. Damit kann überdies dem Ziel der Beschaffung von qualitativ hochwertigen Leistungen und der Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping wohl mehr entsprochen werden, als bei zwingendem Bestangebotsprinzips in den genannten Fällen. So zeigt die vergaberechtliche Praxis, dass die verstärkte Einführung des Bestbieterprinzips mehrfach (ungewollt) zur Anwendung von im jeweiligen Beschaffungsvorhaben vergaberechtlich nicht zulässiger und am eigentlichen Ziel der Qualitätsförderung vorbei führender Qualitätskriterien führt, was nicht nur die Anfechtungsgefährdung der Vergaben erhöht, sondern auch nicht zur Verwirklichung der genannten Ziele führt.
Christian Graf / Christian Gruber
Schramm Öhler Rechtsanwälte
www.schramm-oehler.at