Sie sind Projektmanager und führen Mitarbeiter in einer Gruppe, deren Vorgesetzter Sie nicht sind? Ihnen sind funktionell Mitarbeiter zugeteilt, mit denen Sie das Unternehmensziel, für das Sie verantwortlich sind, erreichen wollen. Die Möglichkeiten eines (arbeitsrechtlichen) Vorgesetzten stehen Ihnen aber nicht zur Verfügung. Hierbei spricht man von lateraler Führung.
Lateral (lateinisch: seitlich) führen, wie kann das gehen? Ohne persönliche Weisungen, ohne disziplinäre Mittel, ohne Druck „von oben“.
Die Negativaufzählung macht schon deutlich, worauf es hier ankommt. Gefragt sind Einfühlungsvermögen, die Einbindung der unterschiedlichen Persönlichkeiten, das Hinarbeiten auf ein gemeinsames Ziel.
Nicht jede Art der Tätigkeit wird sich für laterale Führung eignen.
Voraussetzungen für laterale Führung
- Komplexe Aufgabenstellung
- Gute Vernetzung der Mitarbeiter
- Bereitschaft zur Konfrontation und Bearbeitung von Konflikten
- Gehaltssystem, das an die Aufgabenstellungen angepasst ist
- Zielvereinbarungen
- Hohe Motivation bei allen Beteiligten
- Persönliche Autorität des Führenden
- Fähigkeit zu Delegieren
- Handlungsspielraum
Der Begriff „Laterale Führung“ entstand in den 1960er-Jahren. In der Organisationsforschung erkannte man bald, dass in Unternehmen und Verwaltungen, auch Krankenhäusern, nicht nur hierarchische, sondern vielfach auf die Seite gerichtete Führungsprozesse wichtig sind. Man fand heraus, dass die Koordination in verschiedenen Abteilungen einer Einrichtung, trotz anderer formaler Anweisungen, ohne Einschaltung einer Hierarchie ablief. Selbst in Armeen, die von Natur aus Prototypen hierarchisch gegliederter Organisationen sind, wird bei komplexen Anforderungen auf laterale Führungsinstrumente gesetzt.
Die Person, die lateral führt, übt gewissermaßen eine einem Moderator ähnliche Rolle aus. Der Begriff des „unternehmerisch denkenden Arbeitnehmers“ spielt bei dieser Art von Führung eine große Rolle, sowohl bei den Geführten als auch beim Führenden. Die alte Definition des weisungsgebundenen, persönlich abhängigen Arbeitnehmers, wie wir sie vom Arbeitsrecht kennen, hat hier ausgedient.
Sicherlich bleibt die Arbeitgeberfunktion, zu der auch Abschluss, Beendigung, Ausgestaltung der Arbeitsverträge, Weisung und Verwarnung gehören, auf Geschäftsführer- oder Personalleiterebene erhalten. Dies ist auch gar nicht anders denkbar, müssen doch Personalentscheidungen, Standort-, Investitions- und Produktentscheidungen auf zentraler Leitungsebene getroffen werden. Aber das klassische Bild des weisungsabhängigen Angestellten hat hier ausgedient.
Fragt sich, ob laterale Führung auch im öffentlichen Dienst anwendbar ist. Vieles ist hier einem „Schema“ untergeordnet, angefangen vom Gehaltsschema, den Dienst- und Besoldungsklassen. Das Instrument der Weisung hat noch große Bedeutung, auch sind die Spitzen der Verwaltung oftmals politisch besetzt und verantwortlich. Schließlich ist eine strikte Bindung an Gesetze und Verordnungen gegeben, die den Spielraum der Aktivitäten des öffentlichen Dienstes einschränken. Bestimmte Verfahren nach Vorschrift des Allg. Verwaltungsverfahrensgesetzes oder anderer Normen sind einzuhalten.
Aber es gibt ja auch noch die Privatwirtschaftsverwaltung, die unternehmerische Seite des öffentlichen Dienstes. Hier spielt zwar auch der Einfluss der Politik herein, der strikte Handlungs- und Ablaufrahmen, wie bei der Hoheitsverwaltung, fehlt hier aber. Auch das wäre ein Anwendungsfeld für laterale Führung.
Autor: Dr. Martin Gillinger