Wie empfinden die Führungskräfte in der alltäglichen betrieblichen Praxis einen offenkundigen, wahrnehmbaren Konflikt? Nicht anders als jeder Mensch in einer außerbetrieblichen Situation auch: Konflikte sind unangenehm, bedrohlich, stressig. Die mit Konflikten verbundenen Gefühlsaufwallungen sind peinlich oder zumindest unangemessen.
Erfolgreiches Konfliktmanagement
Erfolgreiches Konfliktmanagement ist also jenes, das trotz der mit einem Konflikt verbundenen belastenden Gefühle, diese freudig annimmt, identifiziert, analysiert, modifiziert, für die Unternehmensziele operationalisiert und hurtig in etwas Positives transformiert. Was für eine Herausforderung!
Führungskräfte sind für die Erhaltung und Steigerung der Arbeitsproduktivität zuständig und müssen sich daher der leistungssenkenden Wirkung von Konflikten bewusst sein. Um diese Bindung von Energien und Ressourcen wieder aufzulösen, ist ein konkretes Ansprechen des Konfliktes geboten. Da Führungskräfte aufgrund der Unausweichlichkeit von Konflikten früher oder später entweder als direkt betroffene Konfliktpartei (im Gegensatz zu anderen Führungskräften oder ihren Teammitgliedern stehend) oder als indirekt Betroffene (als Vermittler/innen bei Gegensätzen unter ihren Teammitgliedern) handeln müssen, brauchen sie zur konstruktiven Handhabung von Konflikten besonderes Handwerkszeug:
Soziale Kompetenz ist für Führung wichtig
Der Aufstieg in der Hierarchie eines Unternehmens erfolgt in der Regel über außergewöhnliche fachliche Leistungen. Mit Rationalität und fundierten Argumenten gewappnet geht so manche Führungskraft vertrauensvoll in ihre ersten MitarbeiterInnengespräche und stellt verblüfft fest, dass im Laufe des Gespräches aus unterschiedlichen Ansichten ein Zerwürfnis entstanden ist und die MitarbeiterInnen aus – scheinbar – unerfindlichen Gründen völlig unvorhersehbar emotional reagiert haben.
Also muss die Führungskraft zusätzlich zu ihren fachlichen Fähigkeiten soziale Kompetenzen aufweisen, um ihr Verhältnis zu den Teammitgliedern im Sinne der Herstellung eines leistungssteigernden Arbeitsumfeldes zu gestalten. Auch eine vordergründig rein sachliche Kommunikation verläuft im Hintergrund auf einer (emotionalen) Beziehungsebene. Einfühlsames Zuhören setzt also auch die Berücksichtigung des Beziehungsinhaltes voraus, da ein nachfragendes Verstehen erst auf einer Ebene notwendig ist, die nicht durch eine universelle für alle eindeutige Sprache wie z.B. eine mathematische Formel wiedergegeben werden kann.
Nachricht enthält vier Aspekte
Sofern diese theoretischen Grundlagen mit den Grundeinstellungen der Mediation (Interesse, Empathie, Klarheit) verbunden werden, stehen die Chancen gut, genügend emotionale Kompetenz für den Umgang mit den vier Seiten jeder Nachricht und eine grundsätzliche Expertise in Gesprächsführung zu erlangen (Friedemann Schulz von Thun/Johannes Ruppel/Roswitha Stratmann, Miteinander Reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, 2000). Diese Auseinandersetzung mit den eigenen Tendenzen der Nachrichteninterpretation und die Analyse der Ausprägung der eigenen vier Empfangs-Ohren (Sach-, Selbstkundgabe-, Beziehungs-, Appell-Ohr) begünstigt eine weitere mediationsrelevante Fähigkeit:
Selbst- und Systemwahrnehmung
Führungskräfte als Teil des Beziehungssystems
Führungskräfte managen Menschen, d.h. sie sollen Arbeitskräfte zu Leistung anregen. Ihr Verhalten hat direkte Auswirkungen auf die Leistungswilligkeit bzw. Leistungsfähigkeit von MitarbeiterInnen, denn wo Energien für die Abwehr negativer d.h. kräfteraubender Verhaltensweisen aufgewendet werden muss, steht diese Energie nicht mehr für die vom Unternehmen erwartete Leistung zur Verfügung. Führungskräfte können nur dann ändernd eingreifen, wenn sie sich selbst als Teil des Beziehungssystems wahrnehmen und ihren Einfluss auf dieses System nicht unterschätzen.
Ich-Botschaft
Das Bewusstsein, dass die eigene Kommunikation die Rückmeldung der MitarbeiterInnen beeinflusst und umgekehrt, wirft die Frage auf, wie Führungskräfte einerseits ihre Anliegen offen mitteilen, d.h. Weisungen geben und diese durchsetzen und andererseits selbst Wertschätzung erhalten. Hier hat sich die Ich-Botschaft bewährt. Eigene Bedürfnisse und Wünsche werden wahrgenommen und bewusst so formuliert, dass für das Gegenüber eine Erfüllung des konkreten Anliegens möglich ist, ohne mit einer Forderung oder Abwertung konfrontiert zu werden: „Ich möchte in der heutigen Besprechung am Beginn eine wichtige gemeinsame Entscheidung treffen, deshalb bitte ich Sie, pünktlich einzutreffen” ist zielführender als „Unpünktlichkeit ist ein Charakterfehler!”.
Konfliktwahrnehmung
An Führungskräfte wird der Anspruch zur effektiven Konfliktregelung gestellt, d.h. es soll schnell gehen, sie sollen entscheiden, wo es notwendig ist und einen demokratischen Führungsstil anwenden, wo es angebracht ist.
Bearbeitung des Konflikts entsprechend Eskalationsstufe
Dieser Herausforderung können sie nur begegnen, wenn sie einerseits zwischen einer Meinungsverschiedenheit, die keines vermittelnden Eingreifens bedarf und einem Konflikt unterscheiden können. Die Kenntnis der Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl kann bei der Beurteilung, ob die Führungskraft den Konflikt selbst bearbeiten will oder doch lieber externe Unterstützung heranzieht, hilfreich sein.
Strukturierte Gesprächsführung
Da Führungskräfte zielgerichtetes Konfliktmanagement betreiben müssen, aber Konflikte die Tendenz haben, nach allen Seiten hin auszubrechen, kann eine vorgegebene Struktur sowohl den Parteien als auch der Führungskraft helfen, Kommunikations- und Ablaufstörungen leichter zu identifizieren und sich auf den geplanten lösungsorientierten Ansatz zu konzentrieren.
Autor: Mag. Alfred Faustenhammer