Unternehmen haben im beruflichen Umfeld mit vielen Regelungen zu tun, die sie umsetzen müssen. Oftmals stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Vorschriften verbindlich sind und welche Bestimmungen als Empfehlungen anzusehen sind. Deshalb ist die Umsetzung der Vorschriften im Betrieb für viele Unternehmen eine Herausforderung.
Gesetze, Verordnungen, Erlässe, Urteile, Normen
Im Modell des Stufenbaus der Rechtsordnung werden Vorschriften und Bestimmungen von ihrer Wertigkeit her ganz allgemein erläutert. In der nachfolgenden „Rechtspyramide“ ist der Stufenbau der Rechtsordnung dargestellt:
Ausgehend von der Basis der Verfassung werden Gesetze entweder im Nationalrat (bei Bundesgesetzen) oder im Landtag der Bundesländer (als Landesgesetze) verabschiedet. Aufbauend auf den gesetzlichen Bestimmungen werden in weitere Folge nationale Verordnungen von den zuständigen Ministerien erlassen. Im Zusammenhang mit den Arbeitnehmerschutzvorschriften ist das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zuständig. Auf der Stufe unterhalb der Verordnungen befinden sich Bescheide, die von Behörden ausgestellt werden, und Erlässe, die im Arbeitnehmerschutz von Bedeutung sind und ebenfalls von Behörden kommen.
Erlässe im Zusammenhang mit Maschinen und Arbeitsmitteln
Erlässe stellen Weisungen dar, die von einer „Oberbehörde“ an die „Unterbehörde“ ausgestellt werden. Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften werden vom Zentralarbeitsinspektorat (ZAI) an die Arbeitsinspektorate (AI) Weisungen in Form von Erlässen herausgegeben. Dabei geht es bei Maschinen und Arbeitsmitteln oftmals um Beschaffenheitsanforderungen von „Altmaschinen“. Diese Erlässe müssen von Betrieben umgesetzt werden. Die Arbeitsinspektorinnen kontrollieren lediglich die Umsetzung der Erlässe.
Eine weitere Rechtsvorschrift stellen spezifische Urteile (Referenzurteile), die von Gerichten ausgestellt werden, dar. Speziell im Rahmen der Nichteinhaltung und Verletzung von Bestimmungen im Zusammenhang mit Arbeitnehmerschutzvorschriften gibt es bereits einige dieser Urteile.
An unterster Stufe in dieser „Rechtspyramide“ befinden sich die Normen. Das bedeutet aber nicht, dass sie am wenigsten wichtig sind – das ist nicht der Fall! Bei Normen handelt es sich grundsätzlich um unverbindliche Regeln der Technik. Normen stellen Lösungen dar, wie die darüber befindlichen Vorschriften (Gesetze, Verordnungen, Bescheidauflagen usw.) umgesetzt werden können. Die Darstellungsform der Pyramide im Rahmen des Stufenbaus der Rechtsordnung hat auch insofern ihre Berechtigung, als dass die Normenlandschaft größer ist als die gesetzlichen Bestimmungen. In der Reihenfolge abwärts der Pyramide erfolgt eine immer genauere Spezifizierung in den Bestimmungen.
Im Zusammenhang mit der europäischen Gesetzgebung werden europäische Richtlinien und europäische Verordnungen herausgegeben, die für die Mitgliedsländer verbindlich umzusetzen sind.
Hersteller- und Anwendervorschriften
Neben dieser allgemeinen Strukturierung im Stufenbau der Rechtsordnung wird des Weiteren unterschieden zwischen Vorschriften, die an den Hersteller oder Inverkehrbringer von Produkten gerichtet sind, und Bestimmungen, die für den Anwender relevant sind.
Maschinenrichtlinie und MSV 2010
Der Hersteller von Produkten hat in den meisten Fällen europäische Vorgaben, die im Rahmen von EU-Richtlinien oder EU-Verordnungen vorhanden sind, umzusetzen. Europäische Richtlinien sind Aufträge an die nationalen Mitgliedsstaaten, diese in nationale Gesetzgebung umzusetzen. Im Herstellerbereich erfolgt die Umsetzung in nationales Recht immer 1:1.
Beispiel: Maschinenrichtlinie
Am Beispiel von Maschinen muss der Hersteller bzw. Inverkehrbringer die Vorgaben der europäischen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG umsetzen. In Österreich wurde diese europäische Richtlinie 1:1 in die Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV) 2010 umgesetzt.
ASchG und Verordnungen
Für den Arbeitgeber als Anwender von Maschinen und Arbeitsmitteln sind wiederum das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) und die daraus resultierenden Verordnungen maßgebend.
CE-Kennzeichnung und „Vertrauensgrundsatz“
Die Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV) 2010 fordert für Maschinen, dass diese CE-gekennzeichnet werden. Die Verpflichtungen, denen der Hersteller nach der MSV 2010 nachzukommen hat, sind im gesamten europäischen Wirtschaftsraum gleich. Der Käufer und Anwender von Maschinen hat neben einer CE-gekennzeichneten Maschine auch Anspruch auf eine Betriebsanleitung in der Sprache des Landes, in dem die Inverkehrbringung erfolgt, und auf eine Konformitätserklärung. In diesem Zusammenhang stellt sich für den Anwender im Rahmen der Anwenderbestimmungen (Arbeitnehmerschutzvorschriften) die Frage, ob dieser auf die CE-Kennzeichnung auch vertrauen und somit davon ausgehen kann, dass der Hersteller die Maschine nach den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen gebaut bzw. konstruiert hat.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass über den in § 33 Abs. 4 ASchG geregelten „Vertrauensgrundsatz“ die Verbindung zwischen Hersteller-und Verwendervorschrift gegeben ist. Eine Kunde bzw. Käufer einer Maschine kann aufgrund des § 33 Abs. 4 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) darauf vertrauen, dass der Hersteller einer Maschine sich an alle einzuhaltenden Herstellerrichtlinien hinsichtlich Konstruktion, Bau und weiterer Schutzmaßnahmen gehalten hat, außer der Betreiber verfügt über andere Erkenntnisse. Diese anderen Erkenntnisse beziehen sich auf offensichtliche Mängel, die zum Beispiel fehlende Schutzeinrichtungen sein können. Da gilt dieser Vertrauensgrundsatz nicht mehr!
Hingegen sind steuerungstechnische Mängel bzw. Fehler in der Sicherheitssteuerung keine offensichtlichen Mängel, diese sind aber häufig in der Praxis vorhanden. Sehr wohl muss aber aufgrund der Praxiserfahrung dringend angeraten werden, beim Neukauf von Maschinen Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen im Rahmen der Evaluierung des Arbeitgebers vorzusehen.
Regel der Technik vs. Stand der Technik
Wie weiter oben kurz erläutert wurde, stellen Normen, ganz gleich, ob es sich dabei um nationale, europäische oder internationale Normen handelt, Regelwerke der Technik dar. Doch was unterscheidet sie vom sogenannten „Stand der Technik“?
Ganz allgemein beschreibt der Stand der Technik den auf einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erprobt und erwiesen ist. Als Stand der Technik werden all jene Lösungen angesehen, die „neu“ vorhanden sind und die sich in der Praxis auch bewährt haben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „State of the Art“.
Im Gegensatz zum Stand der Technik stellt die Norm eine anerkannte Regel der Technik dar. Der Grund für den Unterschied liegt darin, dass der Stand der Technik sich immer weiterentwickelt. In Normen werden standardisierte Lösungen abgebildet, aber Normen hinken im Allgemeinen dem Stand der Technik hinterher, außer es kommt eine Norm neu heraus und bildet den aktuellen Standard ab.
Autor: DI Stefan Krähan
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