Ein großes Hemmnis bei der praktischen Erfassung, Beurteilung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden war in den letzten Jahrzehnten der Mangel an kompaktem Wissen zum Thema. Das führte oftmals zur Verbreitung von „Halbwissen“, was eine seriöse, objektive oder gar wissenschaftliche Bearbeitung der Bereiche in der Praxis sehr erschwerte. Dem wird nun der österreichische „Schimmelleitfaden“ entgegengesetzt, der in diesem Blog im Überblick vorgestellt werden soll. Im Leitfaden werden gesundheitliche, bauphysikalische, messtechnische und allgemeine raumlufthygienische Fragestellungen berücksichtigt.

 

Entwicklung des Schimmelleitfadens

In Österreich wurde erstmals 2006 ein „öffentliches“ Dokument zum Thema, das wenige Seiten dünne „Positionspapier zu Schimmelpilzen in Innenräumen“ vom Arbeitskreis Innenraumluft veröffentlicht. Es bezog sich in seinen Aussagen meist auf bereits bestehende deutsche Leitfäden. Nachdem diese Dokumente mittlerweile in die Jahre gekommen sind und naturgemäß nicht auf Österreich spezifische Verhältnisse Rücksicht nehmen, hat sich der Arbeitskreis Innenraumluft am Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus 2018 dazu entschieden, einen österreichischen Schimmelleitfaden zu entwickeln.

 

Neue Erkenntnisse zur Schimmelbildung

Gesetzliche Anforderungen an den Neubau haben sich, ebenso wie jene bei der Sanierung des Bestandes, in den letzten Jahren aufgrund des Energieeinsparens deutlich verschärft. Die Gebäudehülle wird durch notwendige Dämmmaßnahmen immer dichter. Gewohnte Lüftungsvorgänge sind dann nicht mehr ausreichend, um die Feuchtigkeit aus den Räumen abzuführen, Schimmelbildung ist vorprogrammiert. Der Schimmelleitfaden enthält daher aktualisierte Aussagen zum Gebäudebestand ebenso wie eine Aufzählung der Vor- und Nachteile lüftungstechnischer Einrichtungen in energieoptimierten Gebäuden.

 

Aufbau des Leitfadens

Kapitel 1 – Grundsätzliches zu Schimmelschaden und Schimmelpilze:
Begriffsdefinitionen, Wachstum von Schimmelpilzen

Kapitel 2 – Wirkungen von Schimmel auf die Gesundheit des Menschen:
Mögliche gesundheitliche Auswirkungen und Risiken bei Schimmelbefall in Innenräumen

Kapitel 3 – Ursachen für Schimmelwachstum in Gebäuden:
Zusammenwirken von Luftfeuchte, Temperatur, baulichen Gegebenheiten und Lüftung

Kapitel 4 – Vorbeugende Maßnahmen gegen Schimmelbefall:
RaumnutzerInnen-Verhalten (richtiges Heizen, Lüften), Technische Lüftungseinrichtungen bauliche Komponenten

Kapitel 5 – Schimmelbefall erkennen, erfassen und bewerten:
Ortsbegehung, Nachweis von Schimmelpilzen in der Luft und in Materialien

Kapitel 6 – Maßnahmen im Schadensfall:
Maßnahmen durch RaumnutzerInnen, Maßnahmen durch Fachfirmen, Nutzungsklassen, Sanierungsverfahren

Kapitel 7 – Rechtliche Anmerkungen zu Schimmel:
Österreichisches Mietrecht, Wohnungseigentumsrecht

 

Nutzungsklassen für die Bewertung und Sanierung von Schimmelschäden

Besonders hervorgehoben werden darf das neu entwickelte Nutzungsklassenkonzept.
Oft werden in der Literatur Empfehlungen weitergegeben, die auf alle Innenräume anzuwenden sind. Es kann aber nicht sein, dass in Wohnräumen die gleichen Anforderungen gelten wie in einer Garage, einem Fahrradabstellraum oder einem Kellerraum. Der Schimmelleitfaden definiert daher erstmals Nutzungsklassen für die Bewertung von Schimmelschäden und ihre Sanierung.

Schimmelleitfaden: Definition Nutzungsklassen

Tabelle: Definition der Nutzungsklassen (entnommen dem Schimmelleitfaden, Seite 134)

Der Leitfaden bezieht sich vor allem auf Büroräume, Schulen, Kindergärten, Veranstaltungs-
räume und andere öffentliche Räume sowie auf alle Wohnräume und sonstigen
Räume innerhalb der Nutzungsebene mit dauerhafter oder eingeschränkter Nutzung
(Nutzungsklasse II).

 

Anwendungsgrenzen

Der Leitfaden soll nicht jeden möglichen Einzelfall beschreiben und dafür detaillierte Empfehlungen geben – das geschieht weiterhin in eigenen Merkblättern oder Handlungsanleitungen zu Detailausführungen (z.B. technische Trocknungsmaßnahmen oder Feuchtebeurteilung in Materialien). Er richtet sich vielmehr an Sachverständigenbüros, Handwerksunternehmen, mikrobiologische Labors und alle diejenigen, die Schimmel erkennen und bewerten sowie Sanierungskonzepte erarbeiten sollen. Der Leitfaden bietet auch Hilfestellung für örtliche Behörden, Gebäudeeigentümer, Wohnbaugesellschaften, Hausverwaltungen und Versicherungen, die Schimmelsanierungen begleiten oder überwachen. Schließlich werden selbstverständlich auch betroffene GebäudenutzerInnen wertvolle Hinweise finden.

Der Leitfaden ist kein gesetzliches Regelwerk und ersetzt ein solches auch nicht, er stellt jedoch den aktuellen Stand der Technik von Verfahren und Vorgangsweisen dar.
Er ist seit dem Frühjahr 2019 frei downloadbar unter:
https://www.bmnt.gv.at/umwelt/luft-laerm-verkehr/luft/innenraumluft/positionspapiere.html

Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden

Deckblatt des Schimmelleitfadens 

 

Autor: DI Dieter Werner, MSc

 

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