Wer kann heute noch die Reizworte COVID-19, Lockdown, Impfplan & Pandemie hören? Klar sehnen wir uns alle nach dem „Hochfahren“ und der Normalisierung unseres Lebens. Die Situation ist nun aber so, wie sie ist: Abgesehen von einigen Ausnahmen, kämpfen Unternehmen in dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise täglich um das Überleben.

 

Digitalisierung als Chance in der Krise

Notwendig wäre allerdings das Nachdenken über Megatrends wie Digitalisierung, unsere Chancen in der Krise und der langfristige Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. All dies wird derzeit noch durch die Sorge um das Überleben überdeckt. Am wichtigsten erscheint die Absicherung der Liquidität, um am Ende des Monats alle Gehälter zahlen zu können.

Alltag ist es heute auch, auf die versprochenen raschen Hilfsmaßnahmen zu warten, die oft noch in Ausarbeitung sind, und die entsprechenden Anträge für Fixkosten-Ersatz, Kurzarbeit, Zuschüsse für Umsatz-Entgänge, Härtefallfonds und Überbrückungskredite zu bewältigen.

Zur neuen Realität gehört es auch, sich die Ressourcen beim Steuerberater zu sichern, damit die Anträge über Finanzonline gestellt werden; weiters die Abstimmungen mit der Bank über Kreditanträge, wofür wieder die aktuellen Bilanzen gebraucht werden, die noch nicht fertig gestellt sind, weil der Steuerberater ausgelastet ist. Sie verstehen schon. Da beißt sich die Katze in den Schwanz!

Wenn dann der Tag zu Ende geht und der Unternehmer eher frustriert, demotiviert und mit wenig Hoffnung nach Hause fährt, soll er dann noch nachdenken über Chancen in der Krise und Digitalisierungsmöglichkeiten seines Geschäftsmodells?

 

Ohne Liquidität kein Geschäftsmodell

Die Realität ist doch, dass viele Unternehmen ohne Liquidität morgen gar kein Geschäftsmodell mehr haben.

Natürlich ist die Story pointiert und sogar provokant. Die Realität ist aber zumindest in meinem Beratungsbereich, dass der Schwerpunkt derzeit bei Beratungen für kurzfristige Liquiditätsplanungen liegt und mittelfristige Cashflow Planungen sehr gefragt sind. Unternehmen, die im Zuge dessen auch ihre Geschäftsmodelle hinterfragen und ihre Vertriebsstrategien reflektieren und sogar kritisch prüfen, wie sie die zukünftigen Entwicklungen, Trends und Branchenveränderungen antizipieren können, verschaffen sich einen Vorteil.

Mit meinem Vertriebskollegen haben wir unzählige Kunden-Erfahrungen gesammelt und gesehen, dass sich die Geschäftsmodelle ändern und sich die klassischen Vertriebsmodelle mit Unterstützung digitaler Entwicklungen in hybride Modelle wandeln. Selten haben wir beobachtet, dass ein direktes Vertriebsmodell durch E-Commerce ersetzt worden ist. Ja, vielleicht kann sich Tesla erlauben, seinen Retail Channel zu schließen und dem Kunden ausschließlich online seine Fahrzeuge zum Kauf anzubieten – die Mehrheit der Unternehmen, je nach Branche, baut stetig ihre digitalen Kanäle auf und entwickelt parallel zum herkömmlichen Angebot digitale (oder online verfügbare) Produkte sowie Dienstleistungen. So “unangenehm” – verzeihen Sie den Euphemismus – die Lockdowns sind, aber sie beschleunigen das E-Commerce-Geschäft und wer dabei ist, nutzt diese Vertriebschance.

Klar wollen wir die Erinnerung an COVID-19 bald als kurzzeitigen Schock vergessen. Wir möchten zu alter Normalität zurückkehren und den wirtschaftlichen Einbruch schrittweise überwinden. Unsicherheit, Ärger und Angst werden bald weitgehend vergessen und das alte Lebensgefühl großteils zurückgekehrt sein. Physische Kontakte werden wieder alltäglich, viele Menschen werden den gewohnten Mobilitäts- und Konsum-Mustern folgen und verpasste Freizeit- und Konsumchancen „distanzlos“ nachholen.

Klingt das nicht wie Musik in unseren Ohren?
Aber bis dahin heißt es: Durchhalten, Liquidität sichern und die konkreten Chancen der Digitalisierung erkennen und nutzen.

 

Autoren: Dieter Puganigg und Robert Pluim